Diese Fragen begleiten mich schon seit einiger Zeit. Ich frage mich: Woher weiß ich, dass meine Energie, meine Aufmerksamkeit, meine Kraft wirklich geschätzt werden – und wann spüre ich, dass ich mich erschöpfe oder ausgenutzt fühle?
In letzter Zeit habe ich öfter den Eindruck, mehr zu geben, als ich zurückbekomme. Freunde bitten mich um etwas – und ich merke in dem Moment, dass mir die Kraft fehlt. Früher hätte ich dieselbe Bitte mit Freude erfüllt. Damals habe ich oft sogar ungefragt Hilfe angeboten, aus einem tiefen inneren Wunsch heraus, „zum Einsatz“ zu kommen.
Doch etwas hat sich verändert. Schon während ich helfe, spüre ich, wie sehr es mich anstrengt. Es fällt mir nicht mehr leicht. Und obwohl mir Dankbarkeit entgegengebracht wird, bleibt oft ein kleines Loch zurück – eine Leere, die das Dankeschön nicht zu füllen vermag. Ein unausgeglichenes Gefühl bleibt.
Wie kann ich mehr in meiner Balance bleiben? Wie gebe ich, ohne im Gegenzug etwas zu erwarten? Ist es wahre Größe, im Geben selbst schon Erfüllung zu finden?
Ich sehne mich danach, wieder mit Freude und Klarheit zu geben – ohne das Gefühl, dass meine Kraft dabei versiegt. Ein Teil von mir ist wütend auf die Menschen, die meine Hilfe angenommen haben. Als hätten sie nichts zurückgegeben. Vielleicht haben sie es doch – und ich habe es einfach nicht erkannt?
Ich wünsche mir Klarheit. Ich möchte unterscheiden lernen: Wann gebe ich aus vollem Herzen – und wann hoffe ich insgeheim, etwas zurückzubekommen? Wann ist mein Geben ein Geschenk – und wann ein stilles Tauschgeschäft?
Stell dir einen See vor – einen rosa See. „Ein See ist doch nicht rosa, der ist blau!“, denkst du vielleicht. Und doch: Dieser See ist rosa. Das ist seine Realität.
Wenn du dich darauf einlässt, deine Vorstellung vom blauen See loszulassen – was passiert in dir? Zunächst wirst du immer wieder das Wasser in Blau sehen. Deine alten Bilder überlagern die neue Wirklichkeit.
Es braucht Zeit, Geduld – und Vertrauen –, bis du wirklich sehen kannst, was ist.
So ähnlich fühlt es sich an, wenn sich ein Teil unserer Persönlichkeit verändert. Wenn etwas, das uns lange ausgemacht hat – wie unsere Hilfsbereitschaft plötzlich in einem neuen Licht erscheint.
Für mich war Helfen lange etwas Gutes. Etwas Ehrenwertes. Etwas, das mich zu einem „guten Menschen“ machte. Es fiel mir leicht – oder ich glaubte, es müsste mir leicht fallen.
Heute erkenne ich: Dahinter steckte nicht nur reine Selbstlosigkeit. Manchmal war es auch ein Versuch, Leere zu füllen. Ein Wunsch, gebraucht zu werden. Oder der stille Versuch, Verbindung zu schaffen – durch das, was ich gebe. Die Hoffnung, dass jemand bleibt, weil ich nützlich war.
Tauche ein in das rosa Wasser. Fühle, wie sich Wahrheit anfühlt, wenn sie nicht mehr dem alten Selbstbild entspricht.
Je mehr ich mich auf diese neue Realität einlasse, desto eher kann ich die alten Muster loslassen. Vor allem jene, die tief in mir verankert waren – die Teil meines bisherigen Ichs waren.
In meiner neuen Wirklichkeit – so hoffe ich – werde ich Menschen begegnen, die einfach da sind. Nicht, weil ich ihnen etwas gebe. Sondern weil sie bleiben wollen.
Dafür braucht es Mut. Die Bereitschaft, das „Blau“ loszulassen – und mich zu öffnen. Für ein neues Bild von mir selbst. Für ein vielleicht wahreres Leben.